Zwischen 1789 und 1958 orientierte sich das politische Leben Frankreichs an nicht weniger als zwolf Verfassungen (unter Einbezug der lediglich nomina- 1 len, d.h. nicht wirksamen, existierten sogar 16). Von diesen war lediglich derjenigen der III. Republik (1870/75-1940) eine langere Lebensdauer - schieden wohl deshalb, weil es sich weniger um einen umfangreichen V- fassungstext handelte als um drei Verfassungsgesetze, die letztlich nichts - deres als Richtlinien uber die Organisation der franzosischen Staatsgewalten ...
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Zwischen 1789 und 1958 orientierte sich das politische Leben Frankreichs an nicht weniger als zwolf Verfassungen (unter Einbezug der lediglich nomina- 1 len, d.h. nicht wirksamen, existierten sogar 16). Von diesen war lediglich derjenigen der III. Republik (1870/75-1940) eine langere Lebensdauer - schieden wohl deshalb, weil es sich weniger um einen umfangreichen V- fassungstext handelte als um drei Verfassungsgesetze, die letztlich nichts - deres als Richtlinien uber die Organisation der franzosischen Staatsgewalten enthielten. Bis zum Beginn der V. Republik pragten politische Systeme - terschiedlichster Art die Verfassungsgeschichte des Landes: vier Republiken, drei Konigreiche und zwei Kaiserreiche dabei die Hundert-Tage-He- schaft Napoleons I. am Anfang des Jahres 1815 und das diktatorische Vichy-Regime des Marschall Petain (1940-1944) nicht berucksichtigt (s. Schaubild 1). Dass nach dem politisch unruhigen Jahrzehnt der IV. Republik die Nachfolgeordnung auf einem einzigen und unbestrittenen Verfassun- dokument grundete, verweist, trotz der Maiereignisse von 1968, auf eine in der jungeren Geschichte Frankreichs einmalige Systemstabilitat. Ein Grund dafur mag in der Tatsache liegen, dass das von General de Gaulle und seinen Mitarbeitern geschaffene Institutionengefuge uber alle Parteigrenzen hinweg voll akzeptiert und die anfanglich von Politikern und Wissenschaftlern ge- sserte Kritik geradezu von Lobpreisungen abgelost wurde. Hatte der spatere Staatsprasident Francois Mitterrand 1964 in einer Kampfschrift de Gaulle 2 einen permanenten Staatsstreich vorgeworfen, so hielt diese Auffassung ihn nach seinem ersten Amtsantritt nicht von der Aussage ab, er habe zwar nicht die Verfassung geschaffen, aber er glaube, gut mit ihr arbeiten zu k- nen."
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